Samira El Ouassil: Motivation durch Negation. Eine Anthologie der Angst in drei Bänden

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„Es bedarf einer Revolution auf dem Markt der Ratgeberliteratur.“
Samira El Ouassil

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Die Sehnsucht nach einer immediaten Steigerung der Lebensqualität hat den modernen Menschen jahrzehntelang zur wahnhaften Geisel einer optimistischen Lebensführung gemacht. Doch der furchtlose Yes, I can-Zeitgeist, die sorgenfreie ‚Nichts-ist-unmöglich’-Mentalität, hat die Gesellschaft ökonomisch, politisch und kulturell an den Rand ihrer funktionierenden und schöpferischen Existenz getrieben. Denn wo keine Sorge um das Gewonnene, keine Angst vor dem noch nicht Erreichten vorherrscht, wenn protzige Zuversicht und jovialer Mut blind für die Gefahren der Zukunft und Notwendigkeiten der Gegenwart machen, kann der Mensch nicht voranschreiten. Er stagniert. Finanzmärkte, Krisenfelder, das Individuum, sie alle sind Opfer über eines halben Jahrhunderts motivationspsychologischer Fehlmanipulation, die suggerierte, dass ein ‚Ja!’ die Antwort auf alles sein müsse. Aus den Trümmern der Nachkriegszeit geboren, eroberte die lächerliche Idee, Antrieb erfolge schlicht aus dem positiven Willen zum Antrieb das Herz der Gesellschaft – um nun im Alltag des 21. Jahrhunderts als ausgewachsener Parasit mit Pan Am-lächelnder Fratze das weltweite System zum Kollabieren zu bringen. Das Opfer dieser falschen bereits von Voltaire in Candide eindrucksvoll kritisieren Sorglosigkeit: nicht weniger als unsere Demokratie. Es ist die Geschichte einer Manipulation – aber auch eine Chance auf eine Neuorientierung.

Mit eindringlichen Worten analysiert Samira El Ouassil in ihrer sich im befindenden Publikation Motivation durch Negation. Eine Anthologie der Angst in drei Bänden wie die Grundlagen unseres Wohlstands durch eine lebensbejahende Sozialisation untergraben und so den gesellschaftlichen Frieden und eine stabile Gesellschaft aufs Spiel gesetzt worden ist. Sie fordert nicht weniger als ein Systemwechsel und beruft sich auf die bahnbrechenden Erkenntnisse der Wissenschaftler Maria Henk-Cassanis und Alan van Reihn, die bereits in den siebziger Jahren die Kraft des Antithetischen und die Energie des Ablehnenden als erste erkannten – aufgrund der Brisanz ihrer Ergebnisse jedoch lange schweigen mussten.

Die kontroverse, nichtsdestotrotz brillante These: Der Schlüssel zum Erfolg liegt in lähmender Angst. Diese Anthologie enthält die Quintessenz der Negation zu allen wichtigen Bereichen wie Gesundheit (‚Hypochondrie heilt!’), zwischenmenschliche Beziehungen (‚Das Lothar Matthäus-Modell – Wie Angst vor Einsamkeit die besten Beziehung schafft’), sowie berufliche Weiterentwicklung (‚Stagnation – auch ein Lebensentwurf’), Wohlstand (‚Existenzängste – Schlafen kann ich wenn ich tot bin’) und gibt wertvolle Impulse, wie wir kraft unserer autodestruktiven Gedanken das Unmögliche nicht möglich machen können – es aber auch nicht mehr wollen. Hingebungsvoll beschreibt die Autorin wie wir durch Furchtsamkeit und permanente Panik zu einem geistig und materiell reichen und erfüllten Leben finden und uns von allen Sorgen und Ängsten lösen können.

So lernt der geneigte Leser en passant die Kunst der destruktiven Imagination und wie er mit Angstszenarien, Furchtappellen und negativen Visualisierungen seine Wünsche verwirklichen kann. Oder auch nicht.Treibstoff Angst – Wer hat Angst vor Henk-Cassani?

Nachdem der Neuropsychologe und Theologe Alan van Reihn und Sozialpsychologin Maria Henk-Cassani 1973 durch ihre viel zitierte und hochgelobte Abhandlung Uneinsichtig – Die Belegbarkeit des Unwiderlegbaren: das menschliche Black-Box-Modell aus Perspektive kognitiver Neurologie zu internationalem Ruf gelangten, erlaubte ihnen das Centre for Neuroscience at the University of Alberta in Kooperation mit dem MIT’s Department of Brain and Cognitive Sciences, die Umsetzung eines der kontroversesten Forschungsprojekte der Neuro- und Motivationspsychologie: Die Untersuchung des positiven Einflusses von Panikgefühlen auf die eigene Effizienz.

Vor allem van Rhein kann durch seine eigens für die Forschungsarbeit präzise entwickelten Erhebungsinstrumente wie den ‚Metabolic-Moral-Index’ und dem ‚Three-Step-Flow-Fear-Pain-Fear-Model’ valide und reliable Daten zur positiven Korrelation zwischen der Aktivität der Amygdala und der Lösung schwieriger Aufgabenstellungen sammeln.

Sogar sein größter Kritiker, Sozialethiker Alfons Robbec, muss 1993 in seiner dekonstruktiven Werksanalyse Die Gnadenlosen – Der Paradigmenwechsel in der wissenschaftlichen Wahrnehmung von Moral als Parameter“ widerwillig eingestehen, dass die Erhebungen in ihrer Ausführung „keinen Anlass zur Beanstandung bietet“.

Dennoch wurde eines der aufregendsten Forschungsarbeiten der jüngsten Wissenschaftsgeschichte bis heute mit stiefmütterlicher Abscheu behandelt. Neben der Fülle des Gesamtwerkes, dem außerordentlich unschönen Deckblatt und der Widersprüchlichkeit der Ergebnisse („In manchen Fällen führte die Kultivierung der Angst nicht zu einer Steigerung der Kreativität.“), war es vor allem die Grundthese, die für einen Disput in der akademischen Welt sorgte: die Behauptung, dass negative Gefühle in der Gesellschaft aus Gründen der Effektivität unbedingt zu befürworten seien, wird zwar einem Machiavelli oder einem Malthus zugestanden, bedeutete aber für die beiden Forscher – speziell in den siebziger Jahren! – den wissenschaftlichen Tod.

Die nun posthum veröffentlichten Ergänzungen Henk-Cassanis (‚Handeln ist der Motor des Handelns, Angst ist nur der Treibstoff.’), aber auch ein Wandel im Angstdiskurs, siehe die Causa Kampusch, zwangen Samira El Ouassil in Kooperation mit dem Im Erscheinen Verlag frei nach Canguilhems weltbekanntem Ausspruch „der Umwelt Unverläßlichkeit ist recht eigentlich ihr Werden, ihre Geschichte“ zu einer neuerlichen, bewusst unvoreingenommen Auseinandersetzung mit dem Mammutwerk.

Das als populistisch verschrieene Werk hat nichts an seiner Aktualität und Brisanz verloren – im Gegenteil: selbst die Analysen über Schmerz (pain) im Allgemeinen und Leid (suffer) im speziellen, sind unmittelbarer denn je zuvor und bieten endlich Lösungen für die Bewältigung unseres Alltags – ohne lästige Fragen zu stellen.

Weitere Informationen zu den einzelnen Bänden dieser Anthologie:

Band I: Erfolg durch Angst – Paranoia als Partner

Band II: Erfolg durch Schmerz – Gewinn durch Gewalt

Band III: Erfolg durch Hass – Antrieb aus Abscheu

Gesamtausgabe im Pappschuber. Im Erscheinen 2022-2024.