Im Erscheinen – Ein Spiegel der Zeit

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Der in den frühen 80er Jahren von Max Schemmler in Köln gegründete Verlag für neue Erscheinungen gilt heute als einer der wenigen anachronistischen Publikationsapparate klassischer Prägung. Seine zuweilen unorthodoxe Entstehungsgeschichte gibt dabei verblüffende Auskunft über Wohl und Wehe der letzten Jahre der Bonner Republik und spannt darüber hinaus den Bogen von Mauerfall, Wiedervereinigung und Ende der Ära Kohl hinein in die Gegenwart.

Nachdem der Kölner Anthropologe und Sozialwissenschaftler Max Schemmler sein Ende der 60er Jahre zu internationalem Ruhm gelangtes Institut für performative Wissenschaftsinstitutionalisierung (IPW) 1972 schließen musste, war es um die Gruppe Schemmler, Likursi und Geil sukzessive ruhiger geworden. Gemeinsam hatten sie in den Jahren zuvor mit nicht selten provokanten Veröffentlichungen auf den Gebieten der Phänomenologie, der Geschichtsschreibung und der Bürokratieforschung (Publikationen, die oftmals unter der Bezeichnung ‘SLG-Theorien’ zusammengefasst wurden) auf sich aufmerksam machen können.

Diese Schriften mit einigem zeitlichen Abstand noch einmal neu und gesammelt für den öffentlichen Diskurs fruchtbar zu machen, war Schemmlers Ansinnen, als er 1982 den Verlag für neue Erscheinungen ins Leben rief. Schemmler sicherte sich die Rechte an den Werken seiner einstigen Mitstreiter und fungierte somit bis zu seinem Tod 1991 hauptverantwortlich für den wissenschaftlichen Nachlass seiner langsam in Vergessenheit geratenden Denkschule.

In den folgenden zwei Jahrzehnten schien das Erbe Max Schemmlers beinahe vollständig zu verblassen. Zunächst zog sich ein Erbstreit zwischen den leiblichen Kindern und Schemmlers erster Ehefrau Dorothea in die Länge, dann schließlich blieben die Rechte – wie von Schemmler gewünscht – doch in den Händen seiner Witwe Charlotte. Erst aber als Charlotte Baiersen-Schemmler 2010 im Alter von 89 Jahren ihrerseits verstarb, wurde die Möglichkeit einer Reinaugurierung des Verlags wieder denkbar. Mehr noch: im Zuge der immer komplexer werdenden Fragestellungen in Bezug auf die transnationale Verwaltbarkeit innerhalb der Europäischen Union wurden Rufe nach einer Relektüre der grundlegenden Texte zur Bürokratieforschung nach Max Schemmler et al. immer lauter.

2010 musste Schemmlers jüngster Sohn Manfred, der sich lange um die kaufmännischen Geschicke des Verlags gekümmert hatte, jedoch Insolvenz anmelden. Bis zuletzt hatte er versucht, auf den Spuren seines berühmten Vaters neue Wege zu gehen.

2011 kam Martin Martin Schlesinger, Beirat des Instituts für Zeitgenossenschaft IFZ und ein guter Freund Manfred Schemmlers, auf die Idee, dem Projekt des Verlags der neuen Erscheinungen frisches Leben zu verleihen. Mit dem Im Erscheinen Verlag wurde ein hauseigener Verlag des IFZ gegründet, der sich in inhaltlicher Abstimmung mit der Familie und im Geiste Max Schemmlers exklusiv der Publikation von grundlegendem wie zukünftigem zeitgenossenschaftlichen Wissen verschrieb. Im selben Jahr wurde mit Tilman Ezra Mühlenbergs Planet der Absicht. Im Diesseits der Intention I nach über 25 Jahren erstmals wieder eine wissenschaftliche Arbeit in die programmatische Linie des traditionsreichen Verlags aufgenommen. Heute knüpft der Im Erscheinen Verlag – mit dem nötigen Maß an Respekt – an die glorreichen Zeiten seiner Vordenker an und zählt mit den aktuellen Publikationen international zu den progressivsten Verlagen im Bereich der zeitgenössischen Geisteswissenschaften.

Für die Publikation Die 100 wichtigsten Dinge kooperierte der Im Erscheinen Verlag erstmalig in inhaltlichen, programmatischen wie gestalterischen Belangen mit dem Hatje Cantz Verlag, Ostfildern. Eine verlagsinterne Monatsschrift mit dem Titel Das Organ befindet sich im Erscheinen.